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Von 1845 bis 1873 wanderten geschätzte 322.593 chinesische Kontraktarbeiter aus, davon 89 % über Hongkong und Macao. Die meisten von ihnen stammten, obwohl ihnen der Kaiser die Auswanderung untersagte, aus den südlichen Provinzen Guangdong und Fujian. Die dortigen Lebensbedingungen waren so ungünstig, dass viele es vorzogen, als Vertragsarbeiter China zu verlassen.
Die meisten Einwanderer aus China kamen aus wenigen Regionen im Süden der Provinz Guangdong, nämlich aus Taishan, Kaiping, Xinhui und Enping. Rund 23 % der Chinesen in British Columbia stammten um 1884–85 aus Taishan, in den folgenden beiden Jahrzehnten stieg dieser Anteil gar auf 45 %. Die Auswanderer hatten gute Gründe, ihre Heimat zu verlassen. Taishan litt zum einen unter Naturkatastrophen. So fanden dort zwischen 1851 und 1908 vierzehn größere Überschwemmungen, sieben Taifune, vier Erdbeben, zwei Trockenphasen, vier Epidemien und fünf Hungersnöte statt. Darüber hinaus fanden zwischen 1856 und 1864 etwa 20 bis 30.000 Menschen den Tod in einem Krieg zwischen den örtlichen Klans.
Mehrere Einwanderungswellen erreichten Kanada, das versuchte, die Einwanderung zu kontrollieren. Man wollte einerseits Nutzen aus den billigen Arbeitskräften im Bergbau und beim Bau der transkontinentalen Eisenbahnen ziehen, andererseits versuchte man ihre Zahl zu begrenzen und ihnen den gesellschaftlichen Aufstieg zu verwehren. Die ersten Chinesen kamen 1858 in den Westen. Diese erste Phase dauerte bis zum Chinese Immigration Act von 1923. Dieser Phase relativ freier Zuwanderung unter starker Kontrolle und unter dem Druck von erheblichem Rassismus wurde von einer Zeit der zahlenmäßigen Begrenzung zwischen 1924 und 1947 abgelöst. Die Regierung versuchte, weitere Einwanderung zu verhindern. In der dritten Phase nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die diskriminierenden Gesetze aufgehoben.
Die ersten Chinesen kamen mit dem Fraser-Canyon-Goldrausch ab 1858 nach Kanada. Einige der Einwanderer kamen von den Goldfeldern Kaliforniens. Sie waren freie Goldsucher und Minenarbeiter, aber auch vertraglich gebundene Hilfskräfte. Wahrscheinlich wurde ihnen vom Arbeitgeber die Anreise finanziert, sie arbeiteten in Teams unter einem Aufseher, und der Arbeitgeber zog monatlich seine Aufwendungen von ihrem Lohn ab.
Sprunghaft stieg die Zahl der chinesischen Arbeiter mit dem Bau der Canadian Pacific Railway an. Allein 1881 und 1882 erreichten über 11.000 Chinesen Victoria. Zwar kehrte ein Teil von ihnen nach China zurück oder ging in die USA, dennoch stieg die Zahl der Chinesen nach den Volkszählungen von 1881 und 1891 von 4.383 auf 9.126. 1901 waren es demnach bereits 17.314. Nur wenige von ihnen waren Händler, die meisten waren Arbeiter. Zwischen 1885 und 1903 stellten sie 73 % der Immigranten, Händler und Ladeninhaber 5,7 %, die übrigen waren Köche, Bauern, Wäschereibesitzer, Bergarbeiter und dergleichen. Von den 15.701 Chinesen, die zwischen 1881 und 1884 nach Kanada kamen, arbeiteten rund 6.500 für die Canadian Pacific Railway. Die erste Gruppe wurde von Andrew Onderdonk rekrutiert. Er engagierte 1.500 Männer in der Gegend von Portland in Oregon, 1880 etwa 2.000 in Hongkong über die Lian Chang Company, die von Li Tian Pei geführt wurde. Er war ein chinesischer Händler, der in den USA lebte. Zwei weitere Kompanien, Tai Chong und Lee Chuck, organisierten die Rekrutierung in Hongkong 1882. Die Unternehmen Stahlschmidt und Ward - sie transportierten allein mehr als 5.000 der 8.000 Chinesen, die 1882 nach Victoria kamen - sowie Welch und Rithet brachten die Menschen nach Kanada.
Nach der Ankunft ging es in organisierten Märschen und Bootsfahrten in Arbeitscamps, wo ein Agent der Kontraktfirma residierte. Diese Camps befanden sich in Yale, Port Moody und in Savona’s Ferry (Savona). In jedem dieser Lager lebten über tausend Arbeiter. Von den rund 10.000 Chinesen, die in British Columbia lebten, waren 1885 allein 2.900 bei der Eisenbahn beschäftigt.
Neben den 2.900 Eisenbahnarbeitern fanden sich 1885 in der Provinz 1.468 Bergarbeiter, 1.612 arbeiteten in der Landwirtschaft, 700 in der Nahrungsmittelverarbeitung, 708 in der Waldwirtschaft. Nur 121 von ihnen besaßen einen Laden oder waren Händler. Die meisten von ihnen lebten im Umkreis der Minen. In den größeren Städten entstanden von Chinesen bevorzugte Quartiere, die sogenannten Chinatowns, so etwa in Victoria, New Westminster und später in Vancouver.
Die Chinatowns wurden sowohl zu Handelszentren, als auch zu Zentren der chinesischen Gesellschaft. Sie wurden Anlaufpunkte für die weit im Lande verstreuten Landsleute. Da viele hofften, bald zurückkehren zu können, lebten sie sehr sparsam, häufig auf engstem Raum. Daher waren die Chinatowns extrem dicht besiedelt. Die viktorianische Gesellschaft, der auch andernorts bestimmte Aktivitäten ein Dorn im Augen waren, registrierten und debattierten - häufig über das junge Massenmedium der Zeitungen - den Umgang mit Prostitution, Glücksspiel, Opium. Letzteres war bis zum Opium Act von 1908 durchaus legal. Allein im kleinen Chinesenquartier von Victoria lebten rund 2.000 Einwohner, womit sie ein Drittel der Gesamtbevölkerung stellten. Dort bestanden mehr als 100 Geschäfte, 11 Hotels sowie drei Ensembles, die chinesische Opern aufführten.
Die interne Kontrolle übten wenige Händler aus, die Nachbarschaftsverbände gründeten und Firmen etablierten, über die sie ihren Einfluss ausüben konnten. Auch verdienten sie bei der Vermittlung chinesischer Arbeiter, einige auch am Opium.
Die Abneigung gegen die Zuwanderer war als Anti-Orientalism in British Columbia besonders stark. Alles, was der von weißen Protestanten dominierten Gesellschaft als schädlich oder verwerflich galt, wurde den Chinesen angelastet. Das konnten Epidemien, Drogenmissbrauch, Übervölkerung, Prostitution, Korruption oder Gewalt sein, aber auch Lohndrückerei. Letzteres hing damit zusammen, dass Chinesen immer wieder als Streikbrecher und Billigarbeiter eingesetzt wurden, was die Gewerkschaften gegen sie aufbrachte. Die 1885 eingesetzte Royal Commission on Chinese Immigration stellte fest, dass die Chinesen häufig den Eurokanadiern Arbeitsplätze wegnahmen. Bei Anhörungen der 1902 eingesetzten Kommission fragte man sich daher nur, ob die Begrenzung der Einwanderung den lokalen Industrien schaden würde. Ansonsten hielten beide Kommissionen die Chinesen als Zuwanderer für unerwünscht und für nicht-assimilierbar. Da inzwischen mehr weiße Arbeitskraft zur Verfügung stehe, seien die Chinesen nicht mehr notwendig.
Zwischen 1875 und 1923 wurden die Rechte der Chinesen sukzessive eingeschränkt. Ab 1884 durften sie kein Kronland mehr erwerben, und sie durften kein Wasser mehr aus natürlichen Kanälen abzweigen. Mit dem Coal Mines Regulation Amendment Act von 1890 durften sie nicht mehr untertage arbeiten, ab 1903 durften sie überhaupt keine qualifizierten Arbeiten mehr in den Minen leisten. Der Provincial Home Act von 1893 verschloss ihnen Alten- und Pflegeheime. Ab 1897 durften sie nicht mehr bei öffentlichen Arbeiten beschäftigt werden, ab 1900 konnten sie keine Verkaufs- oder Ausschankerlaubnis für Alkohol mehr bekommen. Ihnen durfte auch kein Holz verkauft werden, das von Kronland stammte, ihnen wurde der Holzeinschlag untersagt. Sie durften weder Rechtsanwälte noch Apotheker werden. Zu Wahlen wurden sie nicht zugelassen. Eine viel weiter reichende Konsequenz war, dass an dem Eintrag in die Wählerlisten die Erlaubnis hing, bestimmte Beschäftigungen auszuüben. Dazu gehörten die Beschäftigung als städtischer Angestellter, die Mitgliedschaft in den für die Schulen zuständigen school boards, die Berufung in eine Jury bei Gericht oder zu Wahlen zum Provinzparlament. 1920 wurde nochmals ausdrücklich festgehalten, dass Chinesen nicht wahlberechtigt waren.
Manche Gesetze richteten sich mittelbar gegen Chinesen. So verbot der Factories Act von 1922 den Wäschereien die Nachtarbeit. Sie durften nur noch von 7 bis 19 Uhr geöffnet haben. Im selben Jahr empfahl die British Columbia Fisheries Commission die Reduzierung der Fischereilizenzen, um sie aus dem Geschäft zu drängen. Andere Provinzen gingen auf anderen Sektoren vollkommen willkürlich vor. So verbot man in Saskatchewan 1912 die Beschäftigung von weißen Frauen in Restaurants, die Chinesen besaßen. Die Regierungen von Ontario und British Columbia schlossen sich 1914 und 1923 an.
Auch die Bundesregierung erließ anti-chinesische Gesetze. Als erstes wurde 1885 eine Kopfabgabe in Höhe von 50 Dollar eingeführt, nachdem die Eisenbahnverbindung fertiggestellt worden war. Noch 1883 hatte der Premierminister John A. Macdonald im Parlament festgestellt, dass die chinesische Arbeitskraft ausgeschlossen werden könne, sobald sie durch weiße Arbeitskraft ersetzt sei. Es sei „besser, chinesische Arbeit zu haben, als gar keine“ („it is better to have Chinese labour than no labour at all“). Darüber hinaus durfte auf jedem Schiff nur ein Chinese pro 50 Tonnen Fracht mitfahren. Im Jahr 1900 wurde die Kopfsteuer auf 100 Dollar verdoppelt, 1903 auf 500 Dollar verfünffacht. 82.380 Chinesen entrichteten diese Steuer zwischen 1886 und 1924, nur 7.960 wurden davon ausgenommen. So entstanden für den Staat Einnahmen in Höhe von 22,5 Millionen Dollar, ganz überwiegend in Form der Kopfsteuer.
1923 verabschiedete das Parlament in Ottawa den Chinese Immigration Act. Nun durften nur noch Diplomaten, in Kanada geborene Kinder, Händler und Studenten ins Land kommen. Die wenigen Einwanderer und Gäste mussten sich melden, um ein Zertifikat zu erhalten. Zuwiderhandlung wurde mit einer Geldstrafe von 500 Dollar belegt oder mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 12 Monaten. Wer kurzzeitig das Land verlassen wollte, musste seine Reiseroute melden, und musste nach spätestens zwei Jahren zurückgekehrt sein. Mit all diesen Maßnahmen sank die Zahl der Chinesen bis 1931 auf 46.519. 1941 lebten nur noch 34.627, 1951 gar nur noch 32.528 Chinesen in Kanada.
Während des Zweiten Weltkriegs waren Kanada und China verbündet. Sinokanadier hatten sich als Soldaten für die Sache der Alliierten eingesetzt. Auch widersprach die kanadische Gesetzgebung der Menschenrechtscharta des Völkerbunds, und die USA hatten ihren Chinese Exclusion Act aufgehoben. Sie gestatteten allerdings immer noch nur maximal 105 Einwanderer pro Jahr. British Columbia ließ chinesische Soldaten, die in den Streitkräften gedient hatten, 1945 zu Wahlen zu. 1947 wurde das Einwanderungsverbot nach 24 Jahren auch in Kanada aufgehoben. 1951 durften Chinesen auch in Saskatchewan wählen. Die meisten diskriminierenden Gesetze wurden in den nachfolgenden Jahren aufgehoben.
Nach wie vor bevorzugte Kanada die Einwanderung von Europäern. Premierminister Mackenzie King erklärte noch 1947: „Large-scale immigration from the orient would change the fundamental composition of the Canadian population. Any considerable oriental immigration would, moreover, be certain to give rise to social and economic problems ... apart from the repeal of the Chinese Immigration Act and the revocation of [the] order in council ... regarding naturalization, the government has no intention of removing the existing regulations respecting Asiatic immigration unless and until alternative measures of effective control have been worked out.“ Einwanderung aus Asien wurde immer noch bekämpft. Nun fürchtete man allerdings kommunistische Infiltration, wie es John Whitney Pickersgill, Minister of Citizenship and Immigration von 1954 bis 1957 ausdrückte.
Zwischen 1949 und 1955 wurden 12.560 Immigranten zugelassen, davon waren drei Fünftel Ehefrauen und Kinder. 1950 waren von den 1.036 Chinesen 60 % Kinder und 32 % Ehefrauen. Sie waren ganz überwiegend durch das Einwanderungsverbot von ihren Ehemännern und Vätern getrennt worden. Zwischen 1949 und 1955 kamen 4.247 Kinder und 3.325 Ehefrauen nach Kanada. Nur 21 % der Einwanderer hatten einen Arbeitsplatz. Bei den 32.528 Chinesen, die 1951 Kanada bewohnten, kamen auf 374 Männer nur 100 Frauen. 1961 wuchs die Gesamtzahl auf 58.197, und es kamen „nur“ noch 163 Männer auf 100 Frauen. 1881 hatte man ausschließlich Männer gezählt (4.383), ebenso wie 1891 (9.129). 1911 kamen nur drei Frauen auf 27.831 Chinesen. 1991 war das Zahlenverhältnis zwischen den Geschlechtern fast ausgeglichen (656.645).
Erst ab 1962 konnten sich asiatische Individuen selbstständig um die Einwanderung bemühen. Zwischen 1956 und 1967 kamen 30.564 Chinesen nach Kanada. Nach 1967, nachdem Kanada ein Punktesystem eingeführt hatte, wurden sie endlich gleich behandelt. Nun kamen erheblich mehr von ihnen, so dass zwischen 1968 und 1984 insgesamt 170.720 aus der Volksrepublik, aus Hongkong und Taiwan kamen. Von 1985 bis 1991 waren es weitere 176.197, was etwa 16 % der Gesamtzahl von Einwanderern entsprach. Insgesamt wanderten von 1947 bis 1991 388.651 Chinesen ein. Zwischen 1977 und 1984 kamen dabei 64 % aus Hongkong, zwischen 1985 und 1991 sogar 70 %. Die Zahl der Chinesischsprecher wuchs dadurch noch stärker an, dass etwa 30 % der 60.049 Flüchtlinge, die 1979 und 1980 aus Vietnam, Laos und Kambodscha kamen, Chinesisch sprachen, zu zwei Dritteln Kantonesisch.
Die Zuwanderer kamen nun nicht mehr vom Land, sondern waren ganz überwiegend Städter mit beruflicher Qualifikation. Ab 1985 durften Unternehmer und Investoren, die fünf Kanadiern Arbeit gaben, ein Vermögen von 500.000 Dollar aufwiesen und 250.000 im Land investiert hatten, direkt einwandern. Damit kam es zu einem starken Kapitalzustrom. Die Zahl der Business-Immigranten aus Hongkong verdoppelte sich auf 2.821. 1989 lag diese Zahl bei 17.564, von denen 30 % aus Hongkong und 13 % von Taiwan kamen. 1990 stieg der gemeinsame Anteil an der Gesamteinwanderung dieser Gruppe auf rund die Hälfte.
1901 hatten nur 14 % der Chinesen in Kanada außerhalb von British Columbia gelebt, 1911 waren es bereits 30, 1921 sogar 41 %. Nach dem Zweiten Weltkrieg bevorzugten sie die Metropolen, in denen fast 90 % von ihnen leben. Allein 35 % der Chinesen lebten 1986 im Großraum Toronto, in Vancouver 26 %. 1991 lebten 47 % von ihnen in Ontario, 31 in British Columbia, 12 in Alberta.
Bedingt durch die Einwanderungsverbote waren die meisten Chinesen nicht in Kanada geboren. Dennoch wuchs der Anteil der in Kanada Geborenen von 1951 bis 1961 von 31 auf 40 %. Bis 1971 sank dieser Anteil allerdings auf 38, bis 1981 gar auf 25 %. Die Gesamtzahl verdoppelte sich zwischen 1971 und 1981, verdoppelte sich abermals bis 1991. Dabei war die Einwanderung immer noch die stärkere Quelle gegenüber dem im Lande geborenen Nachwuchs. Drei von fünf Chinesen waren zwischen 1968 und 1986 eingewandert. 85 % der Eingewanderten waren in dieser Phase nach Kanada gekommen. Obwohl also Chinesen seit 1858 im Lande sind, stellen sie eine sehr junge Einwanderergruppe dar. Andererseits waren 1986 mehr als 87 % der im Lande Geborenen unter 30.
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