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Hans-Jürgen Hübner:

Tsimshian

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Geschichte und Gegenwart Kanadas

Version 1.231 (2. Februar 2012), ab 2009 für Wikipedia weitgehend neu geschrieben,
dort die enzyklopädiegerechte Fassung
Tsimshian-Sprachen

Die Tsimshian sind eine Gruppe indianischer Ethnien Nordwestkanadas und Alaskas. Sie sind im Gebiet um Terrace, Prince Rupert und Kitimat an der Nordwestküste der Provinz British Columbia und auf Annette Island am südlichsten Punkt Alaskas beheimatet. 2009 wurden rund 10.000 Menschen den Tsimshian zugerechnet, von denen etwa 1.500 in Alaska lebten. Die Siedlungen der britisch-kolumbianischen Gruppen liegen entlang der Flüsse Skeena und Nass, sowie an den zahlreichen Buchten und Inseln an der Küste. Ihr Name bedeutet „Volk inmitten des Skeena-Flusses“.

Zu den Tsimshian zählt man in British Columbia vierzehn galts'its'ap oder Stämme (neuerdings auch als Nations bezeichnet): Die Kitasoo bei Klemtu, die Gitga'at in Hartley Bay, die Gitxaala Nation im Dorf Kitkatla, die Kitsumkalum ebenfalls in einer nach ihnen benannten Siedlung, die Gits'ilaasü in Kitselas sowie neun weiteren Stämme, die in Lax Kw'alaams, besser bekannt als Port Simpson ansässig sind. Dies sind die Stämme der Giluts'aaẅ, Ginadoiks, Ginaxangiik, Gispaxlo'ots, Gitando, Gitlaan, Gits'iis, Gitwilgyoots und Gitzaxłaał.

Ein weiteres Tsimshian-Dorf in Kanada, Old Metlakatla, ist den anderen Stämmen oder Völkern nicht direkt zugehörig. Die Bevölkerung von New Metlakatla in Alaska ist ein Spross der ursprünglichen Bewohner in Alt-Metlakatla.

Inhalt

Sprache

Die Tsimshian sprechen eine eigene Sprache, die in vier Dialekte zerfällt und die als sm álgyax (die wahre Sprache) bezeichnet wird:

Geschichte

Maske aus der Sammlung Claude Lévi-Strauss, „Tsimshian-Maske“ aus dem Nisga'a-Gebiet am unteren Nass River. Diese Gruppe wird nicht mehr zu den Tsimshian gerechnet.

Das heute als Tsimshian bekannte Volk wurde früher als Küsten-Tsimshian (Coast Tsimshian) bezeichnet. Der Name Tsimshian stellte einen Sammelbegriff für drei Gruppen dar. Neben den Coast-Tsimshian waren dies die Gitxsan und die Nisga'a. Gitxsan und Nisga'a sind von den Tsimshian unabhängige Ethnien.

Frühgeschichte und kulturelle Grundlagen

In den Fundstätten um Prince Rupert, wo sich die Winterdörfer befanden, zeigte sich, dass zwischen 3000 und 2000 v. Chr. erheblich weniger Menschen in der Region lebten, als zur Zeit des ersten Kontakts mit Europäern. Die Häuser waren wesentlich kleiner, es gab keine Hinweise auf Statusunterschiede. Doch wurden bereits zu dieser Zeit alle Häuser am Strand entlang aufgestellt, wie es an der Pazifikküste bis heute weit verbreitet ist.

Ab etwa 500 n. Chr. begannen die Ablagerungen in Form von Muschelhügeln deutlich schneller anzuwachsen, was auf eine ebenso wachsende Bevölkerungszahl hinweist. Dazu kamen größere Dörfer mit größeren Häusern. Mit diesen Häusern erschienen auch komplexere Holzbearbeitungswerkzeuge und Werkzeuge zum Fertigen von Kanus.

Zudem war die Gesellschaft erkennbar hierarchisch gegliedert, denn die größeren Häuser - offenbar der dominierenden Familien - standen inmitten der zum Rand hin kleineren Häuser, eine Anordnung, die sich auch neben den Häusern weniger hoch gestellter Familien erkennen lässt. Auch waren diese „Häuptlingshäuser“ mit Prestige erhöhenden Gegenständen ausgestattet.

Die meisten Kulturelemente, die die ersten Europäer Ende des 18. Jahrhunderts antrafen, waren um 500 bereits voll ausgebildet. Der soziale Rang ist nicht nur an den Häusern, sondern auch an Grabbeigaben zu erkennen. Die Männer erhielten Waffen als Beigaben, Frauen Muscheln und Amberanhänger, sowie Kupferohrringe. Einfache Stammesangehörige hatten Begräbnisstätten ohne Ausstattung, Sklaven wurden ganz ohne Kästen beerdigt, einige verstümmelt.

Es scheint, als wäre - wahrscheinlich durch Tradition - die Zahl der Häuser in jedem Dorf festgesetzt gewesen. Wahrscheinlich hatte jede Verwandtschaftslinie bereits eigene Ressourcen. Noch bis etwa 1830 wurde der Lebensstil der Tsimshian durch den Kontakt mit den europäischen Pelzhändlern kaum verändert.

Die Nahrungsversorgung erfolgte in der Vergangenheit hauptsächlich durch Fischerei (Heilbutt, Lachs) und Jagd (Robben, Seelöwen, Seeotter). Darin unterscheiden sie sich von Gitskan und Nisga'a, die - abgesehen vom Lachs und vom Kerzenfisch - eher Landsäuger, wie Bären und Bergziegen jagten.

Wie alle Nordküstenindianer unterlagen die Tsimshian einer stark hierarchischen Gesellschaftsordnung. Die Erbfolge wurde durch die mütterliche Seite bestimmt und die Position eines jeden anhand der Zugehörigkeit zu einem der vier Klans (pteex) festgelegt. Die Clans waren je einem Tier zugeordnet und hießen dementsprechend Laxsgiik (Adler-Clan), Gispwudwada (Orka), Ganhada (Rabe) und Laxgibuu (Wolf). Nur zwischen diesen Clans wurden Heiraten als rechtmäßig anerkannt, innerhalb der Clans waren sie nicht gestattet.

Der Häuptling eines Dorfes wurde durch den Anführer des einflussreichsten Clans gestellt. Die Anführer der übrigen Clans bildeten mit ihm den Dorfrat. Starb der Häuptling, so ging seine Seele in einen der Hunde über. Dieser wurde mit allen Ehren bestattet.1

Im Prince Rupert Harbour fand man ein Kriegergrab aus der Zeit um 200 n. Chr. Der Tote hatte den Schädel einer Frau im Grab, möglicherweise eine Kriegstrophäe, zwei Keulen, eine aus dem Knochen eines Orka-Kiefers, eine aus Walknochen, einen Dolch, ein Kupferarmband, ein Ziegenhorn und einen Hammerstein. Dazu kamen Reste einer Art Rüstung, wie sie die Tsimshian-Krieger bis um 1800 trugen.

Von Tsimshian gefertigte Kiste, die um 1850 entstanden ist. Sie wurde mit rotem Hämatit (auch Blutstein genannt) und Eisenoxid bemalt. Entdeckt wurde sie in Port Simpson, heute befindet sie sich im Museum of Anthropology in Vancouver.

Ähnlich wie andere Stämme der nordamerikanischen Westküste fertigten die Tsimshian die meisten ihrer Gebrauchsgegenstände aus der Rinde des Riesen-Lebensbaumes (Red Cedar). Aus diesem Material ließen sich Werkzeuge, Kleidung, Wohnstätten, Waffen und Kanuhaut herstellen.

Die Tlingit führen ihre hoch entwickelte Webkunst, zum Beispiel die Decken der Chilkat-Tlingit, auf die Tsimshian zurück. Ähnliches gilt für andere ihrer Kunstfertigkeiten. Dabei waren Namensaustausch, Handel und Verwandtschaft, aber auch die gegenseitige Versklavung zwischen den Tlingit, den Tsimshian und den Haida verbreitet.2 Die Tsimshian waren die nächsten Nachbarn der Haida und häufig die Opfer ihrer Raubzüge. Ähnlich wie diese waren die Tsimshian eine Seefahrernation. Insbesondere wenn es um die Aufteilung der Fischgründe und anderer Ressourcen, das Fangen von Sklaven oder das Ausüben von Racheakten ging, mündete die Konkurrenz mit den Tlingit in offene Auseinandersetzungen.

Die reich fließende Nahrungsquelle Lachs ermöglichte es den Tsimshian früh, sesshaft zu werden, und sich in Siedlungen niederzulassen. Wie bei Küstenindianern üblich lebten sie in Langhäusern. Sie waren bei ihnen besonders lang und beherbergten normalerweise eine komplette Großfamilie.

Die Religion der Tsimshian bezog sich vor allem auf den ‚Herrn des Himmels‘, der den Menschen in Zeiten der Not beistand, indem er ihnen seine übernatürlichen Gehilfen zur Unterstützung sandte. Die Tsimshian glaubten, dass Wohltätigkeit und die Reinigung des Körpers (in Form von Waschen oder spiritueller Reinigung, z.B. Fasten) ihnen den Weg in das Jenseits ebnen würden.

Wie für alle nördlichen Küstenindianer war der so genannte Potlatch ein wichtiger Teil ihrer rituellen Handlungen, der von den Tsimshian yaawk genannt wurde.

Die Tsimshian sind für ihre komplexen Rituale und die dazu benötigten Gegenstände berühmt. Zu diesen Ritualen gehören die Totempfähle, aber auch Dramen, Lyrik und Musik. Für jede rituelle Gelegenheit gibt es eigene Lieder. Wiegenlieder sind Eigentum bestimmter Familien und werden von Generation zu Generation weitergereicht. Insgesamt lassen sich die Lieder drei Kategorien zuweisen. Die ältesten Lieder reichen sehr weit zurück, und werden nur zu bestimmten Festen von bestimmten Personen vorgetragen. Ebenfalls im zeremoniellen Rahmen werden die Old Songs gesungen, schließlich gibt es Lieder, die erst nach der Kolonialisierung entstanden sind.3

Europäer und US-Amerikaner

Als die ersten Europäer Ende des 18. Jahrhunderts ins Gebiet der Tsimshian kamen, lebten die meisten um Prince Rupert und den Kitselas Canyon in zehn Stämmen. Sie waren aus weitem Umkreis hierher gezogen, um am Pelzhandel zu partizipieren, und weil hier die Lachse reichlich vorkamen. Es war eines der größten Dörfer des Stammes, und maß ungefähr 180 mal 60 m, wobei es sich am Meeresufer entlangzog. In der Grabungskampagne von 1968 bis 1970 wurden rund 14.000 m³ Kulturabraum durchsucht, wobei allein an der nahe gelegenen Lachane Site 500 Holzartefakte zutage kamen, die in einem Bach überdauert hatten.

Ein fast noch günstigeres Milieu zur Erhaltung von organischem Material bieten so genannte shell middens, oftmals riesige Muschelhaufen, die durch chemische Prozesse Säuren neutralisieren. In diesem Fall ließen sich rund 200 Häuser nachweisen, die, bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 25 Jahren, in stetem Wechsel dazu beitrugen, den Hügel aufzuschichten. Dazu kamen Abfälle.

Eine ungewöhnliche Quelle sind die pit cache genannten Verstecke für die Wintervorräte, üblicherweise Fisch. Jede Familie hatte eine eigene Grube, die geheim gehalten wurde. Das wiederum hing damit zusammen, dass bei Überfällen nur die eigene Vorratsgrube verraten werden konnte. In besonders harten Wintern war dies eine realistische Befürchtung und zugleich Sicherheitsmaßnahme, denn Stämme aus weniger günstig gelegenen Gebieten drangen dann in die Tsimshian-Dörfer vor.

Im Gegensatz zu den weiter südlich lebenden Gruppen der Nuu-chah-nulth und auch der Haida konnten die Tsimshian ihr regionales Pelzhandelsmonopol bis Anfang der 1850er Jahre aufrecht erhalten.

Das Ende der traditionellen Tsimshian-Kultur als eine der einflussreichsten Kräfte der Region begann mit dem Ausbruch der Pocken im Jahr 1862, als in nur drei Jahren 80 % der Stammesmitglieder an dieser von Europäern eingeschleppten Krankheit verstarben. So leben heute nur noch etwa 10.000 Tsimshian.

Die Tsimshian Alaskas

Die Tsimshian Alaskas waren Opfer der religiösen Verfolgung im Kanada des späten 19. Jahrhunderts. Angeführt von Missionar William Duncan erbat eine Gruppe Tsimshian bei der Regierung der USA das Recht auf Ansiedlung auf Annette Island in Alaska. Dort angekommen errichtete Duncan mit rund 50 Tsimshian das Dorf Neu-Metlakatla. Sie lebten nunmehr im Anglikanischen Glauben und nach europäischen Gebräuchen. Annette Island ist seitdem ein Reservat und seit 1971 das einzige verbliebene in ganz Alaska. Die Bewohner behielten Besitz und Status des Reservats bei und verzichteten dadurch auf das Gesetz zur Abfindung der Ansprüche der Ureinwohner in Alaska (Alaska Native Claims Settlement Act). Obwohl keiner eigenen Körperschaft, also einem Verbund von Ureinwohnern zugehörig, dürfen die Tsimshian Anteile an der Sealaska Corporation erwerben. Zudem ist Annette Island der einzige Ort in Alaska an dem Fischreusen beibehalten werden dürfen. Diese waren verboten worden, als Alaska 1959 ein Staat der USA geworden war.

Heutige Situation

Viele Tsimshian haben ihre traditionelle Kunstfertigkeit zu ihrem Beruf gemacht und ihre Feste und die Sprache werden in vielen staatlichen Schulen der Region wieder gelehrt und zelebriert. Der in Deutschland lebende Tsimshian Ed E. Bryant ist wohl der bekannteste Künstler seines Volkes.

Die überwiegend in Kanada lebenden Tsimshian bekundeten schon seit 1879 ihr Interesse an einem Abkommen zur Sicherung ihrer Siedlungen und Fischgründe. Aber erst seit 1983 befinden sie sich darüber mit der kanadischen Bundesregierung und der Provinzregierung Britisch Columbias in Verhandlungen,4 das zum Beispiel Besitz-, und Fischrechte sowie Entschädigungen für das an den Tsimshian begangene Unrecht regeln soll. Im Jahr 1997 konnten die Rahmenbedingungen für einen Vertrag festgelegt, die Details sollten anschließend in einem Grundsatzvertrag vereinbart werden.5 Diese Verhandlungen wurden für 16 Tsimshian-Stämme stellvertretend durch den Tsimshian Tribal Council durchgeführt, der sich jedoch Ende 2005 unter rechtlichen und politischen Schwierigkeiten auflöste. Noch ist unklar, welche Nachfolgeorganisation die Verhandlungen weiterführen kann.

Literatur

Siehe auch

Externe Links

Anmerkungen

  1. 1 ↑ Ein Hundegrab findet sich hier abgebildet: Dog Burial.
  2. 2 ↑ Zur Bedeutung der Sklaverei an der nordamerikanischen Pazifikküste zwischen Alaska und dem Columbia River vgl. Leland Donald: Aboriginal Slavery on the Northwest Coast of North America, Berkeley: University of California Press, 1997.
  3. 3 ↑ Ellen Moses: Love and Lonesome Songs of the Skeena River, in: Canadian Journal for Traditional Music (1980).
  4. 4 ↑ Vgl. Kitsumkalum People - Tsimshian Treaty Process.
  5. 5 ↑ BC Treaty Commission - Tsimshian First Nations.

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